Landliebe - Roman

von: Jana Lukas

Heyne, 2017

ISBN: 9783641208240 , 320 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: frei

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Preis: 9,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

Landliebe - Roman


 

2

Landliebe – Szene 2 – Elisabeth

(Kamera 1: Frontale auf Paul Weidenmann)

»Liebe Zuschauer, heute habe ich mich für die neue Landliebe-Folge nach München aufgemacht, um Elisabeth zu treffen. Die kesse Köchin möchte Winzer Tom näher kennenlernen. Warum hast du dich für den warmherzigen Weinbauer entschieden, Elisabeth?«

(Einblendung Foto Tom Sander / Kamera 2: Halbfrontale auf Elisabeth Lorenz)

»Ähm … er sieht auf dem Foto sehr … nett aus. Und er hat einen interessanten Beruf.«

»Das stimmt. Lass uns den Zuschauern an dieser Stelle ein Geheimnis verraten. Tom und du, ihr habt viele Gemeinsamkeiten. Er gehört genau wie du zu den kreativen Menschen.«

»Ja?!«

(Kamera 1: Frontale auf Paul Weidenmann und Elisabeth Lorenz)

»Tom baut leidenschaftlich gern Modellflugzeuge! Und wir wissen, dass du davon träumst, irgendwann dein Hobby zum Beruf zu machen und ein eigenes Nagelstudio zu eröffnen. Das nenne ich perfekte Voraussetzungen!«

»Ähm … ja. Das ist ja wirklich ein tolles ähm … Hobby. Ich bin unglaublich gespannt auf Tom.«

»Euer erstes Treffen steht sicherlich unter einem guten Stern. Aber wir dürfen deine Konkurrenz aus dem hohen Norden nicht vergessen. Die zweite Kandidatin, Annett, werde ich in Hamburg treffen. Danke für das Gespräch, Elisabeth.«

(Kamera 1: Zurückfahren, ab)

»Klausthaler hat dich gefeuert?« Alexandra sog an ihrem Strohhalm. Die Menge ihres Caipirinhas schien sich dadurch nicht wesentlich zu verringern.

Ellie dagegen nahm einfach das Röhrchen aus ihrem Mai Tai und trank einen ordentlichen Schluck. Denn sie brauchte den Alkohol. Dringend. »Du darfst es keinem erzählen, aber ich stecke ziemlich in der Klemme.«

»Ich dachte, du verstehst dich so gut mit ihm?«

Ja, bis zu diesem Morgen hatte sich Ellie gut mit Johannes Klausthaler verstanden. Eigentlich hatte sie nicht immer für ihn, sondern als Köchin gearbeitet – und ihre Karriere hatte so vielversprechend begonnen. Sie hatte eine Ausbildung in einem Sternerestaurant gemacht und war im Anschluss stolzes Mitglied der Crew des Tischlein Deck Dich geworden. Eines Lokals, das auf dem besten Weg war, sich seinen eigenen Stern zu erkochen. Der Küchenchef hatte sie allerdings als Freiwild betrachtet und war der Meinung gewesen, dass sie ihm weit mehr entgegenkommen musste als ihre männlichen Kollegen. Als sie sich weigerte, auf seine Avancen einzugehen, hatte sie sich schneller auf der Straße wiedergefunden, als sie die Kochmütze vom Kopf ziehen konnte. Nach ihrer Kündigung war sie froh um den Job als Haushälterin gewesen, den Klausthaler ihr angeboten hatte. Der Industrielle, ein Stammgast im Tischlein Deck Dich, war schon seit Längerem auf der Suche nach jemandem, der für ihn putzte, kochte und hin und wieder einen Empfang vorbereitete. Insgeheim hatte sie darauf gehofft, so lange bei ihm bleiben zu können, bis sie wieder Arbeit als Köchin fand. Da er schwul war, konnte sie sichergehen, dass sein Angebot nicht das Geringste mit ihrem Körper zu tun hatte. Allein das hatte sie schon dazu bewogen, den Job anzunehmen.

»Na los.« Alex stieß ihr wenig damenhaft den Ellenbogen in die Rippen. »Erzähl schon!«

Ellie trank noch einen herzhaften Schluck und seufzte. »Ich wollte heute Morgen im großen Salon putzen. Du weißt schon, der neben dem Foyer.«

»Der kalte Raum.«

»Genau.« Alex brachte es auf den Punkt. Ellie mochte den Salon wegen der bodentiefen Fenster, die Unmengen von Licht hereinließen. Die Einrichtung hingegen war eher gewöhnungsbedürftig. Hochmodern und kühl, mit jeder Menge Kunst, die sie nicht verstand. »Kannst du dich an das Podest mitten im Raum erinnern?«

»Das, auf dem diese teure chinesische Vase steht?«

»Heute Morgen war die Vase allerdings weg, und das Podest war übersät mit Plastikbechern und wild verstreutem Popcorn. Ich dachte: Wow, die Party vergangene Nacht muss echt toll gewesen sein. Eine kluge Entscheidung, die Vase in Sicherheit zu bringen, wenn Klausthaler so ausgelassen feiern will.« Sie zuckte die Schultern. »Ich habe die Becher eingesammelt und bin dem Popcorn mit dem Staubsauger zu Leibe gerückt, bis das Podest wieder blitzsauber war. Und gerade als ich die Blumen in dem Zimmer gegossen habe, habe ich plötzlich einen lauten Schrei gehört. Und er stand hinter mir. Klausthaler. In der Flügeltür zum Foyer. Das Gesicht so weiß wie die preisgekrönten Orchideen in seinem Gewächshaus. Ich dachte zuerst, er hätte einen Herzinfarkt, und half ihm schnell, sich in einen Sessel zu setzen. Aber anstatt sich zu beruhigen, zeigte er nur mit zitternder Hand auf das Podest und stammelte ›Was‹ und ›Wo‹. Ich hatte keine Ahnung, was er wollte.« Ellies Hals war ausgedörrt, und sie nahm noch einen großen Schluck aus ihrem Glas. Langsam zeigte der Alkohol Wirkung. »Schließlich begriff ich, dass es um die Becher und das Popcorn ging. Ich fragte ihn, was das Problem mit dem Müll sei. Er legte den Kopf in die Hände. Seine Stimme war nur noch ein erschöpftes Flüstern. Dann sagte er: ›Das war ein Kunstwerk, Elisabeth. Kino für die Sinne – eine Installation von Titius Naumann. Er hat dieses Kunstwerk erst gestern erschaffen.‹«

Alex verschluckte sich an ihrem Cocktail und begann, heftig zu husten. »Das war … Kunst? Die Becher … und das Popcorn?«, brachte sie zwischen ein paar keuchenden Atemzügen hervor.

Ellie nickte. Sie wünschte sich, nicht mitten in einer angesagten überfüllten Münchener Bar zu sitzen, sondern zu Hause, wo sie sich die Decke über den Kopf ziehen konnte. »Ich habe ihm angeboten, alles zu reparieren. Stattdessen hat er mich gefeuert. Er hat nicht rumgebrüllt, nichts nach mir geworfen. Aber diese leise erschöpfte Stimme war fast noch schlimmer.« Sie rieb sich über die Gänsehaut an ihren Armen.

Alex sog einen weiteren Mikroliter aus ihrem Glas. »Dann suchst du dir eben einen neuen Job. Wir werden schon etwas für dich finden.«

Ellie legte den Kopf auf den Tresen. Sie presste ihre glühende Wange auf das kühle Holz und schloss die Augen. »Das ist nicht das Problem«, murmelte sie. »Sondern die neuntausendachthundertfünfundvierzig Euro, die das Kunstwerk wert war.«

Der nächste Morgen begann mit höllischen Kopfschmerzen. Drei Mai Tai waren definitiv zweieinhalb zu viel. Zumindest auf nüchternen Magen,. Ellie tappte barfuß in die Küche und sprach im Stillen schon ein Dankgebet, als sie den Duft von Kaffee wahrnahm. Alex als Freundin und weltbeste Mitbewohnerin war nicht einmal mit Gold aufzuwiegen. Vor allem nicht, wenn sie bereits Kaffee gekocht hatte. Ellie schenkte sich eine Tasse ein und schüttete etwas Milch hinein. Sie balancierte die Tasse zum Küchentisch, wo besagte Freundin bereits beneidenswert munter auf der Tastatur ihres Laptops herumhackte. »Was treibst du da?«

Alex grinste. »Dein Leben retten.«

»Geht das denn?« Ellie nippte an ihrem Kaffee und hoffte, dass das Koffein bald zu wirken begann und sie einen klaren Kopf bekam. »Wegen der Schulden bei Klausthaler ist meine Existenz ruiniert.«

»Dramaqueen! Ich habe eine super Idee, wie du innerhalb von vier Wochen zehntausend Euro verdienen kannst.«

Vorsichtig setzte Ellie ihre Kaffeetasse ab. »In vier Wochen? Umfasst diese Idee nackte Körper, rotes Licht und schmierige Regisseure?«

Alex warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Nein, aber es ist eine Win-win-Situation. Ich suche schon die ganze Zeit nach einer Kandidatin für eine Sendung. Dabei hatte ich sie genau vor der Nase.«

»Was für eine Sendung?« Wenn Alex, die für eine Künstleragentur als Talentsucherin arbeitete, niemanden fand, der in das Profil des Projektes passte, war Wachsamkeit geboten.

»Landliebe. Schon mal gehört?«

»Diese Dating-Reality-Show mitten in der Pampa?«

»So könnte man es auch ausdrücken, klingt allerdings nicht ganz so hübsch.«

»Vergiss es.«

»Warte doch mal.« Alex drehte den Laptop zu ihr um und zeigte auf das Foto eines Mannes auf dem Monitor. »Um den hier geht es.«

Einen Moment lang betrachtete Ellie das Foto. Zugegeben, auf dem Bild sah er attraktiv aus. Groß und breitschultrig, mit dunklen lockigen Haaren. Sein Kinn war unrasiert, und seine Augen hatten die Farbe von flüssigem Karamell. Er trug Jeans und ein Flanellhemd über einem T-Shirt. Die Arme hatte er vor der Brust verschränkt.

»Das ist Tom«, soufflierte Alex. »Süßer Typ, wenn du mich fragst.« Sie drehte den Laptop wieder zu sich herum. »Fünfunddreißig Jahre alt und Winzer an der Mosel. Er ist in der freiwilligen Feuerwehr und baut in seiner Freizeit gern Modellflugzeuge zusammen.«

»Modellflugzeuge?«

Alex zwinkerte ihr zu. »Das bedeutet, dass er sehr geschickte Finger hat.«

»Vergiss es«, wiederholte Ellie. »Er mag vielleicht gut aussehen, aber irgendetwas stimmt nicht mit ihm. Warum sollte er sonst eine Frau über das Fernsehen suchen? Vermutlich hat er irgendeinen Fetisch, über den ich nicht einmal nachdenken möchte.«

»Er hat immerhin noch alle Zähne. Eine solche Gelegenheit, an zehntausend Euro zu kommen, bietet sich nur einmal im Leben. Nur vier Wochen und schon bist du deine Schulden bei Klausthaler los. Wie schlimm kann es schon werden?«

»Es gibt doch immer zwei Kandidatinnen. Bekomme ich das Geld auch, wenn er die andere auswählt?«

»Er muss dich nehmen. Die zweite Frau ist eine Schauspielerin, eine Attrappe sozusagen. Sie dient nur dazu, die Zuschauer glauben zu machen, dass der Kandidat wählen...