Vom Tellerwäscher zum Visionär - Wie Öko-Pionier Sepp Dygruber mit claro Geschichte schrieb

Vom Tellerwäscher zum Visionär - Wie Öko-Pionier Sepp Dygruber mit claro Geschichte schrieb

von: Wolfgang Gran

ecoWing, 2021

ISBN: 9783711053077 , 144 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 16,99 EUR

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Vom Tellerwäscher zum Visionär - Wie Öko-Pionier Sepp Dygruber mit claro Geschichte schrieb


 

NICHTS IST CLARO – ALLES CLARO


Gerade erst hatte der kleine Außenseiter im Ring ein wenig zu tänzeln begonnen; sich nicht respektlos, aber doch ganz schön frech in den Kampf eingebracht; erste leichte Körpertreffer bei den Gegnern gelandet, auch wenn diese eher als lästig, denn als schmerzhaft empfunden wurden. Aber es reichte immerhin, um zu bemerken, dass es da plötzlich jemanden gab, der zuvor nicht da gewesen war.

Und dann kam, für die ausgefuchsten Profis im Ring vorhersehbar, für den frechen Jungen aber wie aus dem Nichts, diese Gerade. Exakt auf die Kinnspitze. Die Sterne, nach denen er gegriffen hatte, tanzten nun vor seinen Augen, ehe es tiefschwarz wurde und der harte Aufprall auf den Brettern erfolgte. Ein Aufprall, der einerseits so richtig schmerzhaft war, der andererseits aber auch naive Träume aus dem brummenden Schädel beutelte und den ungetrübten Blick auf eine knallharte Realität frei machte.

Genau so erging es an einem Februartag des Jahres 2008 dem jungen Salzburger Unternehmer Josef Dygruber, der sich, nach seinem Abgang als Verkaufsleiter in der Österreich-Filiale des damals noch nicht mit der englischen Firma Reckitt fusionierten deutschen Waschmittelkonzerns Benckiser, 13 Jahre zuvor mit der Marke claro selbstständig gemacht hatte. Während ein großer Teil der Konsumenten damals noch Geschirrspülpulver verwendete, setzte der zu diesem Zeitpunkt erst 27-Jährige auf die kurz zuvor auf den Markt gekommenen Tabs und sah darin seine Chance, mit einer eigenen Marke in den Ring zu steigen. Einen Ring, den er zwar schon ganz gut kannte, aber bis dato nur von der relativ sicheren Seite aus, von der aus er den Kampf der langjährigen Profis zwar erste Reihe fußfrei mitverfolgt hatte, aber nur als Mitglied des Betreuerstabes. Jetzt wollte er nicht mehr nur gute Ratschläge erteilen, sondern selbst mitfighten.

Diese Profis, das waren im deutschsprachigen Raum Dygrubers ehemaliger Arbeitgeber Reckitt Benckiser mit der Marke Finish, die damals hierzulande noch Calgonit hieß, und die Henkel AG mit der Marke Somat. Beide beschäftigen Zehntausende Mitarbeiter und erwirtschaften Umsätze im deutlich zweistelligen Milliardenbereich. Dem gegenüber stand claro, das nach den ersten 13 Betriebsjahren mit drei Dutzend Mitarbeitern einen Jahresumsatz von 15,8 Millionen Euro generierte. Außerhalb des deutschen Sprachraums, wo Dygruber schon einige Jahre nach der Firmengründung ebenfalls erste Gehversuche wagte, kamen mit multinationalen Konzernen wie Procter & Gamble mit der Marke Fairy oder Unilever mit Sun Giganten als Mitbewerber dazu, deren Jahresumsätze sich aktuell im Bereich von 50 Milliarden Euro bewegen.

Da piepste also gewissermaßen eine Micky Maus rotzfrech eine Elefantenherde an.

Blaue Augen hatte sich Dygruber schon in den Anfangsjahren immer wieder einmal geholt, aber mit dem Niederschlag im Februar 2008 drohte ein schwerer K. o. Ausgeführt wurde dieser Treffer von der deutschen Stiftung Warentest, der 1964 in Berlin gegründeten gemeinnützigen Verbraucherorganisation, die Waren und Dienstleistungen aus allen möglichen Bereichen vergleichend unter die Lupe nimmt. Ihr Urteil kann ein Unternehmen in hellem Glanz erstrahlen lassen, aber auch in ernsthafte Schwierigkeiten bringen. Weit mehr als 6000 verschiedene Tests, vom Schokoriegel bis zur Sicherheit von Fußballstadien, machten die Prüfer dieser Stiftung von ihrer Gründung bis heute; in diesem Februar 2008 veröffentlichten sie ihren Testbericht über Geschirrspültabs.

Josef Dygruber und sein Chemiker und technischer Leiter Erich Fabianitsch, die das Unternehmen 1995 aus dem Boden gestampft hatten, waren mit ihren claro-Tabs erstmals dabei und eigentlich guter Dinge. In Österreich hatte man es bei den großen Handelshäusern nach etlichen Anläufen in die Regale geschafft, in Deutschland war kurz vor dem großen Testbericht ein spektakulärer Deal mit der Drogeriemarktkette dm gelungen. Außerdem hatte man als erster und bis zu diesem Zeitpunkt einziger Anbieter auf dem Markt die Tabs in wasserlöslicher Folie verpackt und damit aus ökologischer Sicht einen gewaltigen Pionierschritt getan.

Doch statt sich dafür bei Stiftung Warentest einen Ritterschlag abzuholen, schritten die Österreicher schnurstracks ihrer eigenen Hinrichtung entgegen. In der Regel werden die Headlines ja den strahlenden Siegern gewidmet, aber diesmal gehörte alle Aufmerksamkeit in fetten Lettern dem Newcomer: »Nichts ist Claro« lautete das vernichtende Urteil der Tester schon im Titel, und im Text kam es noch viel dicker. Da war von »Totalausfall« und »teurem Flop« die Rede, und wenn man bei so vielen schallenden Ohrfeigen überhaupt noch in der Lage ist, die schmerzlichste zu definieren, dann war das in diesem Moment wohl das Desaster mit der vermeintlichen Trumpfkarte, der wasserlöslichen Folie. Der Test der Lagerfähigkeit der Geschirrspültabletten fand nämlich bei hoher Temperatur und Luftfeuchtigkeit statt, und da hatte man bei claro die hygroskopischen Eigenschaften der neuen Folie für einen Test unter solchen Bedingungen nicht ausreichend bedacht. Jedenfalls blieben von den brandneuen, innovativen 7-in-1-Tabs, mit denen man die übermächtigen Konkurrenten vor sich hertreiben wollte, nur noch »1-in-1-Knödel« übrig, weil die Folie alle Feuchtigkeit gebunden und die Tabs in undefinierte Klumpen verwandelt hatte.

Und damit hieß es für die Österreicher: Nicht genügend. Setzen.

Da saßen sie nun völlig zerknirscht in der kleinen Firma in Mondsee, Josef Dygruber und sein Chemiker Erich Fabianitsch, und fühlten sich auch wie Schüler, die zwar brav gelernt hatten, aber trotzdem mit einem Fünfer nach Hause gekommen waren: »Es war mit Sicherheit die schwärzeste Stunde«, sagt Dygruber heute. Eine Stunde, in der er fast froh war, dass sein Kollege aus dem Labor, der mit ihm einst bei Benckiser gearbeitet und dort die Entwicklungsabteilung geleitet hatte, noch eine Spur geknickter wirkte als er selbst: »So konnte ich ihn ein wenig aufrichten, ihm Hoffnung machen und Mut zusprechen – und das hat wiederum auch mir geholfen, nach diesem Niederschlag wieder aufzustehen.«

Denn natürlich kam auch beim Firmenchef dieser erste Reflex hoch, dass man Opfer einer großen Ungerechtigkeit geworden wäre und die Tester auch andere Möglichkeiten gehabt hätten, als eine Headline wie die scharfe Klinge einer Guillotine auf jemanden herabsausen zu lassen, der zu dieser Zeit gerade einmal 0,4 Prozent Marktanteil in Deutschland hatte: »Das wurde ja auch im Internet veröffentlicht, und da war es dann noch sehr, sehr lange so, dass du ›claro‹ eingegeben hast und sofort auf ›Nichts ist Claro‹ gestoßen bist. Hilfreich war das nicht«, erinnert sich Dygruber.

Aber es reichte auch nicht für einen finalen K. o., denn noch mit dem niederschmetternden Testergebnis vor Augen gab der claro-Chef seinem Chemiker Fabianitsch ein Versprechen: »Ich weiß, was du kannst, ich glaube fest an uns und sage dir: So etwas wird uns nie wieder passieren. Und auch wenn es eine Weile dauern wird, sage ich dir schon heute: Eines Tages werden wir Testsieger sein.« Als ihn der väterliche Freund daraufhin einen Träumer nannte, kam das bei Josef Dygruber quasi als Arbeitsauftrag an. Denn wer, wenn nicht der Chef selbst, sollte kühne Träume entwickeln und deren Umsetzung vorantreiben.

Zugute kam ihm dabei eine Fähigkeit, die unter anderem den durchschnittlichen vom außergewöhnlichen Unternehmer unterscheidet: Niederlagen und Rückschläge nicht lange zu beklagen und die Schuld im Außen zu suchen, sondern unverzüglich und ohne Umwege in die schonungslose Selbstanalyse zu gehen. Dabei gingen dem Salzburger gleich mehrere Lichter auf. Das Test-Desaster mit der wasserlöslichen Folie hatte ihm zwar in der Bewertung das Genick gebrochen, Dygruber musste sich aber auch andere, zunächst schwer verdauliche Faktoren eingestehen: »Unser Produkt war zwar von der Reinigungsleistung her gut, aber in Bereichen wie Glanztrocknung oder Belagsbildung, also in vielem, das von einem Multi-Tab verlangt wurde, waren wir noch meilenweit von den großen Mitbewerbern entfernt. Das mussten wir uns damals, zähneknirschend, aber doch, eingestehen.«

Zwei entscheidende Erkenntnisse nahm der Selfmade- Unternehmer aus diesen stockfinsteren Stunden mit: dass die Performance seines Produktes noch lange nicht dort war, wo sie zu sein hatte, um mehr als eine Sternschnuppe zu werden. Und dass er sich schleunigst mit den Regeln des Spiels vertraut machen musste, nach denen die Großen der Branche spielten, denn das Blauäugige hatte er nun im übertragenen wie wörtlichen Sinn hinter sich gebracht. Selbstverständlich saßen nämlich zum Beispiel Vertreter der großen Konkurrenten in jenem Fachbeirat von Stiftung Warentest, der unter anderem bei der Auswahl von Testkriterien beratend tätig ist. Und der Unterschied, ob...