Erfolg ist ein Mannschaftssport - Das Playbook für mehr Selbstorganisation im Unternehmen

Erfolg ist ein Mannschaftssport - Das Playbook für mehr Selbstorganisation im Unternehmen

von: Stephanie Borgert

Gabal Verlag, 2021

ISBN: 9783967400397 , 220 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 25,99 EUR

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Erfolg ist ein Mannschaftssport - Das Playbook für mehr Selbstorganisation im Unternehmen


 

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Gemeinsam sind wir . . .


Sind Sie eigentlich teamfähig? Was genau soll das sein, fragen Sie sich jetzt eventuell. »Teamfähigkeit« ist, ebenso wie »Teamarbeit«, ein Buzzword, das beinah nie definiert, dafür aber umso häufiger verwendet wird. Keine Stellenausschreibung ohne die Anforderung der »Fähigkeit, sich ins Team einzubringen«. Und so wird dann auch jede irgendwie zusammengestellte Menge Menschen »Team« genannt; sei es für ein Projekt, eine Taskforce oder eine kleine Abteilung. Damit ist der Grundstein gelegt für unklare Begrifflichkeiten und jede Menge Missverständnisse darüber, was diese Teams denn nun genau tun, können und leisten sollen. Dabei ist zunächst mal zu klären, in welcher Form die Menschen zusammenarbeiten und welchen Ausschnitt davon wir betrachten: Haufen, Gruppe, Team oder Organisation.

Im alltäglichen Sprachgebrauch wird oft nicht sauber zwischen den Begriffen unterschieden und »Gruppe«, »Team« und »Organisation« werden in einen Topf geworfen. So wird beispielsweise immer wieder unterstellt, dass mit Abflachung der formalen Hierarchie automatisch beglückende Selbstbestimmung und -verwirklichung in den Teams stattfinden. Das ist eine gnadenlose Trivialisierung von Organisation und dem Prozess des Organisierens. Außerdem führt die Umsetzung der Verflachung schnell zu einer Überforderung der Systeme und der Menschen. Nicht, weil diese es nicht könnten, sondern weil sie auf das Gegenteil konditioniert sind.

Soll in einem Unternehmen menschenfreundlich und zielorientiert Wertschöpfung betrieben werden, dann braucht es eine Betrachtung auf den unterschiedlichen Ebenen, denn Teams und Organisationen haben sehr verschiedene Strukturen mit divergenten Anforderungen an die Mitarbeitenden. Mit dieser Paradoxie müssen wir umgehen und das ist weder als Phänomen noch als Erkenntnis neu. Es wird nur dringlicher mit der steten Forderung nach Agilität, Selbstorganisation und New Work.

Haufen: Ob reine Projektabteilungen oder eine sogenannte »agile Speerspitze« wie im Beispiel unten: Die Menschen in solchen Abteilungen haben keine echte Notwendigkeit, miteinander zu interagieren, da kein »echtes« gemeinsames Ziel existiert. Deshalb ist die Distanz zwischen den Beteiligten in solchen Gruppierungen hoch und der Umgang bleibt unverbindlich. Der Haufen entsteht aus der Vorgabe der formalen Organisation, die Kommunikation ist sehr sachorientiert. Hier bleiben die Menschen meist Einzelkämpfer, denn ein »Wir« entsteht, wenn überhaupt, eher zufällig.

Gruppe: Im engeren Sinne ist sie ein soziales System, dessen Mitglieder ausnahmslos freiwillig und ohne von außen vorgegebenes Ziel teilnehmen. Die Struktur der Gruppe ergibt sich aus den Interaktionen der Mitglieder. Sie entsteht also im Laufe der Zeit. Jeder und jede Einzelne hat einen hohen Einfluss auf das Geschehen und die Dynamik innerhalb der Gruppe. Die Kommunikation erfolgt personen- und rollenbezogen und »Face to Face«. Damit ist schon klar, dass eine Gruppe nur bis zu einer gewissen Anzahl von Menschen möglich ist. Sie umfasst drei bis 20 Mitglieder und besteht über eine gewisse Dauer. Mit der Zeit entsteht ein Wir-Gefühl in der Gruppe, und Normen und Werte formen sich aus, die als Basis für Kommunikation und Interaktion dienen. Es ist dann klar, was »richtiges« Verhalten in der Gruppe ist. Dies wird jedoch nicht explizit ausgehandelt und formuliert, sondern entwickelt sich implizit.

HAUFEN ODER TEAM?


Die Beteiligten verstehen sich als »agile Speerspitze« eines Versicherers und arbeiten seit rund zweieinhalb Jahren agil. Methoden wie SCRUM, SAFe und LeSS sind allen bestens vertraut. Nun kommen sie als Gesamtabteilung mal wieder für einen Workshop zusammen und wissen nicht so recht, was sie miteinander anfangen sollen. Die einzelnen Teammitglieder arbeiten im Alltag in ihren jeweiligen Projekten und gleichzeitig möchten die Führungskräfte das Wir-Gefühl stärken und eine gemeinsame Identität entwickelt wissen. Es sollen schließlich alle »draußen im Feld« mit einer Stimme sprechen. So weit der Wunsch der Führung. Die Teilnehmenden suchen im Workshop händeringend nach inhaltlichen Punkten, die sie diskutieren und erarbeiten könnten. Sich selbst als Team betrachten, beobachten und reflektieren wird als nicht relevant abgetan. In der Diskussion um genau diesen Punkt wird deutlich, dass sie gar kein Team sind. Formal bilden sie zwar eine Abteilung, im Arbeitsalltag aber haben sie wenig bis gar nichts miteinander zu tun. Um ihre Aufgaben zu lösen, sind sie nicht aufeinander angewiesen, denn es existieren so gut wie keine Abhängigkeiten. Als Team existieren sie nur auf dem Papier. Damit ist Teamentwicklung im eigentlichen Sinne obsolet. Die »agile Speerspitze« ist, genau genommen, nur ein Haufen.

Team: Eine Unterscheidung zwischen Gruppe und Team halte ich für absolut notwendig, da auch in noch so agil oder selbstbestimmt arbeitenden Unternehmen keine Gruppen im engeren Sinne zu finden sind. Teams haben zwar manchmal die Größe einer Gruppe, haben aber immer Aufgaben und Ziele, die ihnen von der Organisation vorgegeben werden. Abteilung, Projektteam, Taskforce, wie auch immer ein solches Konstrukt genannt wird; es ist ein Zusammenschluss von Menschen, der ganz klar arbeits- und aufgabenbezogen – meistens von der formalen Organisation – »zusammengestellt wird«. Um die gemeinsame Aufgabe zu erfüllen, sind die Teammitglieder auf Kooperation angewiesen. Der Zeitraum, über den ein Team zusammenarbeitet, ist lang genug, dass soziale Dynamiken entstehen. Kommunikation findet nicht nur auf der Sachebene statt, sondern neben dem Was wird auch das Wie miteinander besprochen. Ein Team ist eine Mischform aus Gruppe und Organisation, wobei das Mischungsverhältnis variiert.

Netzwerk / Clique: Neben den offiziellen Bereichen, Abteilungen und Teams existieren in jeder Organisation immer auch informelle Kreise. Der wesentliche Unterschied zu Teams und Gruppen liegt in der Bindung zwischen den Menschen, die bei Netzwerken schwach bzw. lose ist. Sie lösen sich mitunter schnell wieder auf, basieren aber gleichzeitig auf der persönlichen, direkten Interaktion. Sie entstehen bedarfsabhängig. Das können informelle Karrierenetzwerke sein oder auch Leidensgemeinschaften von Menschen, die sich von der Organisation enttäuscht und unfair behandelt sehen.

Organisation: Als soziales System dient die Organisation dazu, unabhängige Handlungen in eine »passende« Abfolge zu bringen, damit spezifische Ergebnisse erreicht werden. Dazu ist ein hoher Grad an Formalisierung notwendig, damit überhaupt Hunderte oder Tausende von Individuen, Gruppen und Teams koordiniert werden können. Kommunikation findet vornehmlich auf der Sachebene statt, die Beziehungen zwischen den Menschen werden ausgelassen. So sind Organisationen quasi das Gegenteil von Gruppen, in denen es ja genau auf diese Beziehungen ankommt. Organisationen müssen so gebaut sein, dass der Einzelne austauschbar ist, sonst können sie auf Dauer nicht überleben. In ihnen sind die Normen explizit und ausgesprochen, die Menschen fügen sich ein und erfüllen die Erwartungen. Das führt, und zwar gewollt, zu Konformität. So ist es auch die Organisation, die die Systemgrenze bezüglich der Zugehörigkeit des Einzelnen zieht. Auf den Punkt gebracht dient eine Organisation in erster Linie zur Herstellung von Erwartbarkeit. Organisation und Team sind zu differenzieren in der Betrachtung, wenn es um Zusammenarbeit geht, denn in ihnen wirken verschiedene Dynamiken.

In diesem Buch fokussiere ich Teams und Organisationen, denn ich beziehe mich auf die Zusammenarbeit von Menschen im Organisationskontext. Neben den Besonderheiten, die diese Konstrukte als soziale Systeme ausmachen, sind die Dynamiken im Team wesentlich. Jedes Team, das über eine gewisse Zeit zusammenarbeitet, gelangt an den Punkt, sich mit Autorität, Führung, Rollen im Team und dem Umgang mit Macht auseinanderzusetzen. Ob und wie es das tut, hat erheblichen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit. Mit einem Verständnis für Gruppendynamik lässt sich besser einordnen, was in einem Team passiert. Ganze Organisationen können wir damit nicht begreifen. Und nur das Team zu betrachten, reicht ebenfalls nicht. Warum also sollten Sie sich mit Gruppendynamik beschäftigen? Sie (als Team) werden von der Organisation und anderen Teams, Projekten etc. beeinflusst und beeinflussen diese ihrerseits. Wie gesagt: Ein Team ist ein soziales komplexes System und von außen nicht direkt steuerbar. Alle Anforderungen von außen (zum Beispiel »Werdet doch jetzt mal agil«) treffen auf die Dynamiken des Teams, auf die Normen und das Wir-Gefühl. Was dann passiert, hängt stark vom Team ab und weniger von den Anforderungen selbst. Zum einen ist nur das möglich, was im Team verabredet ist, zum anderen steht das Team in Wechselwirkung mit der Organisation und deren Erwartungen. Die Gruppendynamik zu betrachten und passend intervenieren zu können, ist zwar nur ein Aspekt, aber ein gnadenlos vernachlässigter. Das ist auch kein Wunder, versuchen wir doch seit Dekaden, die sozialen Dynamiken in Organisationen mittels Autorität und Prozessen zu unterbinden. Das funktioniert jedoch höchstens temporär, wenn beispielsweise in einem...