Kloster, Mord und Dolce Vita - Eine Stimme für den Tod

Kloster, Mord und Dolce Vita - Eine Stimme für den Tod

von: Valentina Morelli

beTHRILLED, 2021

ISBN: 9783751700078 , 130 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 4,99 EUR

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Kloster, Mord und Dolce Vita - Eine Stimme für den Tod


 

1


»Was würdest du tun, Andrea?«

Caesar hob den Kopf und gab ein leises Winseln von sich.

Doch Isabellas Bruder schwieg. Mit nichts anderem hatte sie gerechnet. Kopfschüttelnd legte sie den Brief beiseite. Sie musste dringend damit aufhören, sich mit Fotos zu unterhalten.

Andrea lächelte sie auf seine lässig-charmante Art an. Dieses unverwüstliche Lächeln, mit dem er stets jeder Situation Herr wurde. Wie sehr wünschte sie es sich, nur einen Hauch von der Souveränität ihres Bruders mit in die Wiege gelegt bekommen zu haben. Andrea hatte schon immer die Gabe gehabt, Dinge viel leichter zu nehmen. Sie vermisste ihn. Es war bereits ein halbes Jahr her, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Ihr kam es vor wie eine Ewigkeit.

Der Hund winselte wieder. Isabella warf einen Blick auf die Uhr und nickte ihm entschuldigend zu. »Ja, doch, ich kümmere mich gleich um dein Fresschen.«

Caesar ließ den Kopf auf den Steinboden sinken und starrte sie mit einem lang gezogenen Seufzer missmutig an.

Was würde Andrea tun? Die Frage wollte nicht aus ihrem Kopf. Er würde sich den Problemen zweifelsohne stellen. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht.

Ihr Blick fiel auf das eingerahmte Foto ihrer geliebten Großmutter. Dieser Frau hatte sie so vieles zu verdanken. Allem voran die Liebe zu Gott. Oma hatte ihr das Beten beigebracht, gezeigt, wie man dem Herrn nahe war, und damit hatte sie den Weg für Isabellas Klosterkarriere geebnet. Genau genommen war also ihre Großmutter der Grund, warum sie nun hinter dem Schreibtisch dieses Büros saß und kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand.

Sie hatte alles versucht, um sich in Filomenas ehemaligem Büro heimischer zu fühlen. Zunächst hatte sie die alten Ölgemälde in den Klosterkeller verbannt und die nunmehr freien Wandplätze mit Bildern versehen, die sie von den Hippies auf dem Marktplatz erworben hatte: zwei kunterbunte Mandalas und eine surrealistische Strandszenerie mit Sonnenuntergang. Der Strand war pink, und die untergehende Sonne schimmerte in Blautönen.

Die frohen Farben des Bildes waren Isabella geradezu ins Auge gesprungen, und sie trugen ihren Teil dazu bei, die Finsternis aus dem Äbtissinnenbüro zu verdrängen. Irgendwann, so hatte sie beschlossen, würde sie die Ölgemälde in die Hände eines Profis geben und diese aufbereiten lassen.

Die schweren, düsteren Gardinen waren lichtdurchlässigen Vorhängen gewichen, die Schwester Immacolata aus halb transparentem Gewebe für sie genäht hatte. Und dann hatte Caesar seinen Platz erhalten. Sie hatte ihm eine Ecke mit seiner Lieblingskuscheldecke direkt am Fenster eingerichtet. Einmal mehr war sie froh über die Anwesenheit des Hundes.

Doch trotz der persönlichen Note, mit der sie das Büro eingerichtet hatte, bescherte ihr dieser Raum ein beklemmendes Gefühl. Als sagten die Wände ihr, dass die Fußstapfen, die Filomena hinterlassen hatte, für sie zu groß waren. Isabella kam es ebenso surreal vor wie die an die Wand genagelte Strandkulisse.

Noch immer hatte sie sich nicht so recht in die Rolle der Äbtissin eingefunden. Jeder Tag fühlte sich aufs Neue fremdartig an. Sie war keine geborene Anführerin und tat sich schwer damit, Arbeiten an ihre Schwestern zu delegieren. Wenn eine Arbeit anstand, krempelte Isabella die Ärmel hoch und machte sich selbst daran. Zudem war das silberne Kreuz, das an ihrem Hals baumelte, so massig, dass sie immer öfter vergaß, es sich umzulegen.

Das Schlimmste an ihrem neuen Tätigkeitsfeld war, dass sie nun die alleinige Verantwortung für das Kloster trug – eine undankbare Bürde. Denn ihre Vorgängerin war alles andere als eine gewissenhafte Buchhalterin gewesen. Mehr noch: Irgendwann schien Filomena die Augen vor der Wahrheit verschlossen und den Kopf in den Sand gesteckt zu haben. Nur so war die neueste Entdeckung zu erklären.

Alles hatte damit angefangen, dass sie die wohl schon vor Monaten vertrockneten Blumen aus der Standvase entfernt und im Inneren der Vase einen Schlüssel entdeckt hatte. Und dieser passte in die verschlossene Schublade unter dem schweren Schreibtisch, vor dem sie seit Wochen tagein und tagaus Platz nahm. Logisch, dass die Neugierde groß gewesen war. Doch bei Gott, sie wünschte sich, sie hätte ihr nicht nachgegeben.

Als sie den Schlüssel herumgedreht und die Schublade aufgezogen hatte, waren ihr unzählige Briefe entgegengefallen. Die meisten davon waren ungeöffnet. Den Grund dafür fand Isabella schnell heraus. Es handelte sich bei allen um Rechnungen und Mahnbescheide. Es waren so viele, dass sie überhaupt nicht wusste, womit sie beginnen sollte.

Sie hatte sich vorgenommen, so schnell wie möglich jeden Brief zu öffnen und das Gespräch mit den Gläubigern zu suchen. Sie konnte nur hoffen, dass es dafür noch nicht zu spät war.

Die letzten Tage hatte sie Stunden um Stunden an der Buchhaltung gesessen, um diese auf den neuesten Stand zu bringen. Das Ergebnis war niederschmetternd. Es war eine Zahl mit einem derart fetten Minusstrich herausgekommen, dass Isabella ihre Augen ungläubig gerieben und erst nach und nach begriffen hatte, wie schlimm es um das Kloster wirklich stand. Aber gar nicht begriff sie, wie das möglich war.

Sie hatten ihren Klosterstand auf dem Marktplatz von Santa Caterina, der tagtäglich mehrere Hundert Euro in die Klosterkassen spülte. Dabei hatte sich Schwester Hildegards Tomatensoße, die es sogar zu nationalem Ruhm gebracht hatte, als echter Verkaufsschlager herausgestellt.

Die Köchin kam kaum noch mit der Produktion hinterher, so schnell verkauften sich die Gläser. Auf den Gängen hörte Isabella die Mitschwestern schon munkeln, dass sie in Massenproduktion gehen und die Soße den hiesigen Supermärkten anbieten könnten. Zudem hatten sie im letzten Jahr eine hervorragende Weinernte und eine ebenso erstklassige Olivenernte zu verbuchen gehabt. Wo war all das Geld hin? Eine Antwort darauf blieben ihr die Kontenbücher des Klosters schuldig.

Zu allem Überfluss hatte sie in der verschlossenen Schublade Briefe vom Vatikan gefunden. Dort war der wirtschaftliche Missstand ebenfalls nicht unbemerkt geblieben, und es wurden entsprechende Forderungen gestellt, die das Kloster zu erfüllen hatte. Aus diesen Erhebungen las Isabella eine unausgesprochene Warnung zwischen den Zeilen heraus. Würden sie ihnen nicht Folge leisten, könnte es das Ende des Klosters bedeuten. So weit durfte es nicht kommen!

Doch wie sollte Isabella das anstellen? Wo kein Geld war, konnte sie keines herbeizaubern. Sie konnte es drehen und wenden, wie sie wollte: Das Convento di Nostra Regina della Pace stand am Rande des Ruins. Ein Wunder musste her. Und zwar pronto!

Caesar jaulte auf und bellte dann. Genau einmal. Er wedelte mit dem Schwanz und setzte sich auf die Hinterbeine. Nach einem kurzen Blick auf die Uhr schaute sie ihn mahnend an. »Hältst du es wirklich nicht mehr länger aus?«

Caesar bellte noch einmal, was wohl so viel heißen sollte wie: Nein, ich stehe kurz davor, eines fürchterlichen Hungertodes zu sterben.

Also schob Isabella ihren Stuhl zurück und erhob sich mit knackenden Knien vom Schreibtisch. Das viele Sitzen bekam ihren Gelenken nicht. Wehmütig dachte sie an ihre geliebten Laufeinheiten durch die Weinberge, die sie seit Wochen sträflich vernachlässigte.

Aber wo sollte sie die Zeit hernehmen? Neben den anfallenden Arbeiten, die die Bewirtschaftung eines Klosters mit sich brachte, und den Gebeten, musste sie sich nun um die bürokratischen Aufgaben kümmern. Ein Hobby wie Joggen war da purer Luxus. Entsprechend eingerostet fühlte sie sich.

»Dann los, Caesar. Wollen wir doch mal sehen, was Schwester Hildegard für dich zu Mittag hat.«

Kaum hatte sie die Tür zum Flur aufgezogen, schoss der Hund an ihr vorbei und rannte vor zur Küche. Isabella hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten. Und erst jetzt wurde ihr klar, dass sie ebenfalls hungrig war. Ihr Magen knurrte laut auf und zog sich zusammen. Aus der Küche drang bereits der Duft von Schwester Hildegards Tomatensoße.

Beflügelt von ihrem Erfolg beim regionalen Fernsehwettbewerb, kochte Schwester Hildegard die Soße seit geraumer Zeit zweimal in der Woche. Für sie war es praktisch, da sie sie ohnehin für den Marktverkauf in großen Mengen zubereiten musste. Isabella hing die Tomatensoße mittlerweile jedoch zum Hals raus. Sie wünschte sich Schwester Hildegards berühmten Sauerbraten zurück. Oder ihre Kohlrouladen mit Hackfleischfüllung. Sie hätte ihren linken Arm für Käsespätzle mit Röstzwiebeln gegeben.

Schwester Hildegard stammte aus Deutschland und legte großen Wert darauf, den Mitschwestern ihre heimische Küche nahezubringen. Mit Erfolg, denn seit ihrer Zeit in Santa Caterina hatte Isabella die deutsche Küche zu schätzen gelernt. Zwar war sie nach wie vor der Meinung, dass die beste Küche der Welt noch immer die italienische war, aber mit der Zeit hatte sie immer mehr Gefallen an den deftigen Spezialitäten gefunden. Das Konvent konnte froh sein, eine derart begabte Köchin in seinen Reihen zu wissen.

Kurz bevor Isabella das Refektorium erreichte, öffnete sich die Klosterpforte knarzend. Sie hielt inne und warf einen Blick zurück. Aus dem Eingang schälte sich Schwester Agnieszka – tränenüberströmt.

»Du liebe Güte, was ist denn mit dir los?« Sie eilte auf ihre Freundin zu, die sich ihr hemmungslos weinend in die Arme warf. »Was hast du denn?«

Schwester Agnieszka gab sich redliche Mühe zu antworten, doch es waren nur abgehackte Laute, die ihren Mund verließen.

»Beruhige dich, Liebes.« Isabella strich...