Verbot, Verfolgung und Neubeginn - Die Geschichte der österreichischen Freimaurerei im 19. und 20. Jahrhundert

Verbot, Verfolgung und Neubeginn - Die Geschichte der österreichischen Freimaurerei im 19. und 20. Jahrhundert

von: Helmut Reinalter

Studienverlag, 2021

ISBN: 9783706561495 , 300 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

Mac OSX,Windows PC für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 23,99 EUR

eBook anfordern eBook anfordern

Mehr zum Inhalt

Verbot, Verfolgung und Neubeginn - Die Geschichte der österreichischen Freimaurerei im 19. und 20. Jahrhundert


 

III. Die Zeit der Restauration und des Vormärz


Vorübergehend wurden im Rahmen der napoleonischen Feldzüge auch einige Militärlogen errichtet, die aber nur kurze Zeit Bestand hatten. Napoleon selbst war zwar höchstwahrscheinlich kein Freimaurer, obwohl seine Zugehörigkeit zum Bund öfter behauptet wurde. Was jedoch als sicher gilt, ist, dass der Kaiser der Franzosen in der Freimaurerei einen geistigen und ethischen Machtfaktor sah. Zudem gehörten seine Brüder dem Bund an, die an der Spitze freimaurerischer Körperschaften standen.95 Militär- und Feldlogen hatten sich schon vor der Zeit Napoleons gebildet, dann aber stärker während seiner Herrschaft in den gegründeten Republiken, die zur Ausbreitung der Bruderkette beigetragen haben. In diesen Feldlogen wurden rituelle Arbeiten durchgeführt und Reden über Vaterlandsliebe und Patriotismus gehalten, obwohl die Freimaurer stark kosmopolitisch orientiert waren. Diese Haltung stand nicht unbedingt in einem Gegensatz zu Heimatliebe und Patriotismus. Im Juni 1809 hielt z.B. der Gouverneur Napoleons in Kärnten, Divisionsgeneral Jean-Baptiste Rusca, in Klagenfurt eine Tafelloge ab, zu der auch österreichische Freimaurer, sofern sie bekannt waren, eine Einladung erhielten. Diese Logenarbeit bot Anlass zu einer Flut von Berichten, die von Polizeispitzeln abgefasst wurden. Im Jahre 1814 erließ Papst Pius VII. nach dem Sturz Napoleons erneut gegen den Freimaurerbund und die nationale Freiheitsbewegung der Carbonari wegen Staatsgefährdung eine Bulle. Die Freimaurerei wurde darin mit einem gefährlichen politischen Geheimbund gleichgesetzt.96

1. Der Geheimbund der Carbonari


Über die Bespitzelung und Überwachung von Mitgliedern der Freimaurerei gaben mehrere Schreiben des damaligen Polizeiministers Graf Josef Sedlnitzky Aufschluss. Darin wurde betont, dass der Entwicklung des geheimen Sektenwesens Einhalt geboten und die Verbindungen zum Ausland aufgedeckt werden sollten. Gemeint war hier u.a. auch der Geheimbund der Carbonari, der auf das Gebiet der Habsburgermonarchie übergegriffen hatte.97 Der Geheimbund verbreitete sich sehr schnell unter den Kleinbürgern und Handwerkern der Haupt- und Provinzstädte Italiens. Zu dieser raschen Verbreitung trug sicher das einfache Ritual bei, das auf dem christlichen Glauben und der Verehrung des hl. Theobald, des Schutzheiligen der Kohlenhändler, aufbaute. Da die Polizei weitere Logenarbeiten befürchtete, sandte Sedlnitzky an den Gouverneur für Steiermark und Kärnten am 06. September 1821 folgendes Schreiben: „Durch die revolutionären Ereignisse, von denen wir in der neuesten Zeit Zeugen gewesen sind, und deren Ursprung, Vorbereitung und Entwicklung dem geheimen Sektenwesen … doch größtenteils zugeschrieben werden muß, haben sich S.e. Majestät Anlaß gefunden, mir allergnädigst zu befehlen, daß Alles aufgeboten, und mit dem angestrengtesten Eifer dahin gebracht werden soll, um genaue Kenntnis von allen im Auslande bestehenden, öffentlich oder connivendo geduldeten, sowohl älteren, als auch erst in der neuesten Zeit entstandenen, oder sich in Zukunft bildenden geheimen Gesellschaften von ihren Statuten und Umtrieben zu erlagen und in ihre Geheimnisse einzudringen …“.98 Auch dieses Schreiben wurde in einem engen Zusammenhang mit dem Geheimbund der Carbonari verfasst. In einem Aktenvermerk wurde darauf besonders hingewiesen: Die Polizeihofstelle empfiehlt, auf Jahrmärkte große Aufmerksamkeit zu verwenden, weil verschiedene Symbole an Erinnerungsstücken Hinweise auf die Carbonari-Bewegung enthalten. Innerhalb der Carboneria gab es zwar auch Freimaurer, doch kann dieser politische Geheimbund mit der Freimaurerei nicht gleichgesetzt werden. Selbst in der päpstlichen Bulle „Ecclesiam“ vom September 1821 wurde die „Carboneria“ nur als Ableger oder Nachahmung der Freimaurerei bezeichnet. Die Carboneria war ein Geheimbund, der am Beginn seiner Tätigkeit noch stark der Ideologie der Aufklärung verpflichtet war, dann aber nach dem Sturz Napoleons politischer wurde und besonders in der italienischen Nationalbewegung, im Risorgimento, eine wichtige Rolle spielte. Sie bestand aus verstreuten Einzelgruppen, die sich dann 1809 zu einer ersten Hauptloge („Vendita“) in Capua zusammenschlossen. Sie breitete sich sehr rasch über ganz Italien aus. Ihre Zielsetzung war freimaurerähnlich, philanthropisch, politisch konstitutionell und republikanisch orientiert.99

Abwehrmaßnahmen wurden auch gegen das „Junge Italien“ und „Junge Deutschland“ ergriffen. Hatte noch 1821 der Kaiser vor dem Geheimbund der Carbonari gewarnt, so betraf diese Warnung auch die geheime Gesellschaft „Junges Italien“, die als staatsgefährlich eingestuft wurde. Im entsprechenden Circulare des k.k. illyrischen Guberniums zu Laibach wird besonders die Tendenz dieser Vereinigung hervorgehoben, die bestehenden Regierungen zu stürzen und die bürgerliche Ordnung zu zerstören.100 Die Polizei befürchtete, dass der Geheimbund der Carbonari vor allem von Norditalien aus auf die Habsburgermonarchie übergreifen könnte. So hatte Polizeiminister Sedlnitzky der Gefahr eines Übergreifens der Carbonari vorgebeugt, indem er alle Länderchefs die Anweisung erteilte, strengste Wachsamkeit auf Reisende aus Italien und aus der Schweiz zu üben. Ein genaues Verzeichnis aller Personen, die dieser Vereinigung angehörten, bot ihm Gelegenheit, diesen den Eintritt in die Monarchie zu verweigern. Trotzdem konnte, wie das Beispiel Tirol zeigt, nicht verhindert werden, dass Ideen der Carbonari-Bewegung nach Österreich gelangten und besonders bei Handwerkergesellen Resonanz fanden.

Nach Berichten der Polizeihofstelle in Wien gab es offenbar eine eigene Kommission der „Carboneria“ für Tirol. In einem der Berichte heißt es u.a., dass nach einer Anzeige des Kreishauptmanns von Trient in Bozen einige Schriftstücke aufrührerischen Inhalts gefunden wurden, die von den Führern der Carbonari in Tirol verfasst worden seien.101 Darin heißt es:

„Werte Tyroler!

Auf! Auf! Rächet die Tyranney des Kaiseres, schüttelt das eiserne Joch, welches eure Belohnung für die treue Anhänglichkeit an das Erzhaus war, ab. Der 20.te dieses um ½ 8 Abends am Virgelberg wird auf das Signal zur Rebellion, indem zu gleicher Zeit ganz Süd Tyrol, das venetianisch – lombardische König Reich etc. ihre Freyheit zu erkämpfen, aufstehen werden. Auf also zu den Waffen, wir empfehlen Euch Schonung. Auf! Die Commission der Carbonari in Tyrol“.102

Graf Stoten berichtete im März 1821 über einen Hinweis des Kreishauptmanns in Bozen zu einem aufrührerischen Anschlag, der angeblich vom Landgerichts- Kanzellisten Joseph Jacob verübt worden sei:

„Hochgeborner Graf!

Am Tage nach Ablauf meiner gehorsamsten Anzeige vom 25ten d. Mt. Zahl 49/gP erhielt ich auch vom Kreishauptmann in Botzen den Bericht über den daselbst affigirten aufrührerischen Anschlag, und am heutigen Tage das Resultat der diesfalls zu Entdeckung des Thäters getroffenen Verfügungen. Der größte Verdacht dieser That fällt nach dem Berichte des genannten Kreishauptmannes auf den Landgericht Kanzellisten zu Carneid Joseph Jacob, der dem Kreishauptmann selbst das erste Exemplar dieses Aufrufes als auf seinen Gang zur Kirche aufgefunden überbrachte, und am 23ten d. Mt. den Aufsatz, oder eine Abschrift hievon in der Kanzlei verlor, welche sogleich dem Kreishauptmann überbracht wurde, und wenn gleich mit deutschen Lettern geschriben, doch viele Schrift – Aehnlichkeit mit den ausgestreuten Exemplaren hat. Auf übereinstimmende Ansichten des k.k. Collegialgerichts Botzen wurde auch die Criminal Prozedur gegen gedachten Jacob beschlossen, und derselbe dem Criminalgerichte übergeben. Indem ich Euer Excellenz hievon in Kenntniß zu setzen nicht ermangle, füge ich zugleich die beruhigende Versicherung bei, daß nirgends – als in Botzen, derlei Aufruhr angeschlagen wurden, und behalte mir bevor, Euer Excellenz das Resultat der diesfälligen Untersuchung nachträglich vorzulegen.

Ich geharre mit ganz vorzüglicher Verehrung

Eurer Excellenz

Gehorsamster Diener

Graf Stoten

Innsbruck am 28.ten März 1821

An Seine des Herrn Präsidenten der k.k. Polizey-Hofstelle Grafen v. Sedlnitzky Excellenz.“103

In einem weiteren Schreiben an den Polizeiminister heißt es, dass gegen Jacob keine Gründe zu einer Kriminaluntersuchung bestehen. In der Voruntersuchung stieß man allerdings auf mehrere aufrührerische Schriften, die auf die angebliche „Kommission der Carbonari für Tyrol“ hinweisen:

„Lieber Graf Sedlnitzky! Das Tyroler Appellationsgericht hat dem obersten Gerichtshofe am 7ten Julius 1821 die Voruntersuchungsakten wider den Kanzellisten des Landgerichtes Karneid, Jakob, wegen Hochverraths, eingesendet, und der oberste Gerichtshof hat sowohl, wie das Trienter Kollegialgericht, und das Tyroler Appel. Gericht einstimmig gefunden, daß gegen denselben keine gesetzlichen Inzichten zu einer Kriminaluntersuchung bestehen. Da sich nun diese Voruntersuchung aus mehreren gefundenen aufrührerischen Affichen mit der Unterschrift:...