Die Musik stirbt nie (solange Ich lebe) - Eine Biografie

Die Musik stirbt nie (solange Ich lebe) - Eine Biografie

von: Danky Cigale

NIBE Media, 2021

ISBN: 9783985514373 , 274 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,99 EUR

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Mehr zum Inhalt

Die Musik stirbt nie (solange Ich lebe) - Eine Biografie


 

 

Mein Vater

 

Bevor ich mit meinem Leben beginne, muss ich erst über meinen Vater reden und über seine Wurzeln, wie er gelebt hat. Nur so ist nachvollziehbar, was alles zwischen uns geschah.

Um zu verstehen, wie dieses Buch beginnt und warum es so beginnt, ist es wichtig zu wissen, wieso mein Vater war, wie er war. Er wurde 1930 geboren und war das drittälteste Kind, von 9 Geschwistern. Mein Vater wuchs irgendwo in den Bergen, nicht weit weg von der Stadt Celje, auf. Er war damals schon total musik-verrückt und damit der Einzige in der Familie, der so verrückt war. Außerdem wollte er immer Akkordeon spielen, und lieh sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit das Akkordeon der Nachbarn aus. So brachte er sich das Spielen dann selber bei. Es war ein diatonisches Akkordeon, das mit vier Fingern, ohne Daumen gespielt wird. Beim Ziehen und Drücken ertönen unterschiedliche Töne. Es zu spielen bedeutete viel Übung, aber er wollte dieses Spiel unbedingt lernen. Die später als Oberkrainer Musik bekanntwerdende Musik war sein Traum.

 

(Diatonische Akkordeons werden häufig von Volks- und Tanzgruppen benutzt, wegen ihres tollen und wunderschönen Klangs. Das macht sie zu einem der populärsten Akkordeons weltweit und es ist seit einigen Jahren wieder beliebt, dieses Instrument zu erlernen. Wenn man bedenkt, dass heute alle jungen Leute in Slowenien, die ein Akkordeon spielen wollen, sich dieses Instrument aussuchen, dann weiß man welche Bedeutung es mittlerweile hat.)

 

Mein Vater wollte auch zur Schule gehen. Er wollte nicht in diesen Bergen bleiben. Doch sein Vater sagte, dass das für ihn nicht infrage käme.

Tatsächlich besuchte er nur vier Jahre die Schule, was damals nichts Besonderes in den ländlichen Gegenden war. In den slowenischen Bergen wurde in der Einsamkeit der kleinen Siedlungen und der kleinen Gehöfte jede hilfreiche Hand gebraucht und seine Familie konnte sich keine Tagelöhner leisten. Da blieben nur die Kinder, denn sie kosteten außer ihrem Essen kein zusätzliches Geld. Sie mussten helfen und Geld dazuverdienen. Vor, während und nach dem 2. Weltkrieg konnte man sich sein Leben nicht aussuchen und somit gab es keine allzu großen Alternativen. Damals ging es in diesen Gegenden manchmal nur ums nackte Überleben.

Dagegen war das Leben in Deutschland schon damals nahezu feudal. Die Familie war alles und dieser wurden die eigenen Interessen untergeordnet. So lernte es mein Vater. Harte kalte Winter wechselten sich mit durchwachsenen Sommern ab, wie das raue Klima der Berge eben war.

In wenigen Gemeinden gab es eine Kanalisation, Strom oder fließend Wasser. Alles musste man sich erarbeiten. So musste ein simples Plumpsklo reichen. Das Wasser wurde aus einer Quelle abgeleitet oder mit Eimern aus einem Brunnen geholt. Außerdem wurde das Holz für den Ofen und zum Kochen mit der Axt geschlagen. Licht im Dunkeln gaben selbstgemachte Kerzen oder Öllampen, wobei das Öl aber selbst besorgt werden musste. Das Geld dafür wurde durch harte Arbeit verdient und Essen wurde teilweise selber angebaut oder durch Fallen in den umliegenden Wäldern selber gefangen. Man verbrachte viel Zeit in den Sommern damit, sich auf den Winter vorzubereiten, um diesen zu überleben. Die Familien hielten zusammen, und auch die Kinder mussten die Familie mit unterstützen.

 

Daher sagte mein Großvater nach vier Jahren Schule: „Es reicht, jetzt gehst du arbeiten.“, denn so hatte er weniger Zeit, diese mit so etwas wie Musik zu verplempern. So sah es mein Großvater wohl.

Also musste er ab seinem 10./11. Lebensjahr auf anderen Bauernhöfen und in verschiedenen Handwerksbetrieben als Tagelöhner arbeiten, um so die Familie unterstützen, und damit war seine Schulzeit beendet. Dieses harte Leben prägte ihn und es brannte sich ein fester Entschluss in ihm ein.

Seine Kinder sollten ein anderes Leben haben, ein besseres Leben und er würde dafür sorgen, dass sie einen besseren Weg beschreiten. Da er wusste, wie hart das Leben sein konnte, würde er sie dorthin führen und ihnen alle Flausen aus dem Kopf treiben, egal ob sie es wollten oder nicht. Denn dann würden sie ihm dafür, wenn sie selber erwachsen wären, einmal sehr dankbar sein. Er wusste was richtig war! Er wusste, dass sie ein solches Leben, wie seines nicht erleben wollten! Er würde sie führen!

 

Mein Vater hat mir später einmal erzählt, wie traurig er darüber war, dass er nicht mehr in die Schule gehen durfte und kein Instrument lernen konnte. Damals hat er sich dann tatsächlich ein wenig Geld erspielt, indem er durch verschiedene Kneipen tingelte und dieses Geld verdiente er sich mit seiner Musik! Trotz allem war das möglich. Es werden sicher keine Reichtümer gewesen sein, doch es weckte einen neuen Geist in ihm und ich vermute, er wollte mehr.

Er zeigte mir auch die Kneipe, in der er an einem letzten Abend spielte, denn am nächsten Morgen machte er sich zu Fuß auf den Weg nach Deutschland. Nur mit dem, was er am Leibe trug, wobei er nicht wusste, wohin es ihn genau bringen würde. Er wollte nur einfach nach Deutschland, um diesem kommunistischen Elend zu entfliehen.

Aber warum wollte er nach Deutschland?

 

Während des 2. Weltkrieges kamen deutsche Soldaten, bei einer Verfolgung von Partisanenkämpfern, bei ihm zu Hause vorbei. Sie waren freundlich und schenkten ihm Schokolade, die er nie zuvor aß und von da an liebte er Deutschland.

In den frühen 50er Jahren dann, also lange vor meiner Geburt, gründete sich die Oberkrainer Musik. Damals gründeten sich die ersten erfolgreicheren Oberkrainer Musikgruppen in denen sie häufig als Quintett in der Zusammensetzung, Akkordeon, Kontrabass, Gitarre und Klarinette auftraten. Manche von ihnen feierten international große Erfolge, wobei der bekannteste sicher Slavko Avsenik ist. Dieser spielte Schifferklavier und ich glaube, mein Vater hätte es gerne gesehen, wäre ich in dessen Fußspuren getreten.

Damals begann sicher sein eigener Traum und trotz allem war für ihn klar, dass er diesen Traum später mit seinen Kindern verwirklichen wollte. Denn das war doch das Beste, das ihnen passieren konnte.

Später kamen mein Bruder und ich.

 

Auch wenn das jugoslawische kommunistische System nicht so extrem war wie im restlichen Ostblock, hasste er es aus tiefstem Herzen, und schon bevor er in Deutschland ankam, wusste er, dass seine Kinder, die in Deutschland zur Welt kommen, alle deutsche Namen bekämen. Meinen Bruder, der 1962 auf die Welt kam, nannte er Anton.

Ich selber betrat 1964 das Licht der Welt und bekam den undankbaren Namen Dankfried, was eine echte Strafe für mich war.

Sie fanden diesen Namen, als sie ein Stammbuch mit germanischen Namen durchgingen, und somit war er sein Protest gegen das jugoslawische Regime und gegenüber dem Kommunismus, den er so gehasst hat.

Als wir dann in die Grundschule kamen, haben die Kinder aus Kroatien, Serbien und Jugoslawien jeden Samstag Spezialunterricht bekommen. Also jugoslawischen Unterricht. Dort konnten sie auch die kyrillische Schrift lernen. Ich vermute, dass damals der Bezug zur Heimat erhalten bleiben sollte.

 

Darauf ist mein Vater angesprochen worden. Etwa so wie „Hey, deine Kinder kommen ja aus Jugoslawien, dann gehen die da ja auch hin.“

Seine Antwort lautete immer: „Meine Kinder gehen da auf gar keinen Fall hin. Keines meiner Kinder geht in einen kommunistischen Unterricht! Die gehen da nicht hin und fertig!“

Damit waren mein Bruder und ich von allen jugoslawischen Kindern die einzigen an dieser Schule, die nicht mitmachten. Weil unser Vater es nicht wollte. Zudem waren wir seit der Geburt ohnehin Deutsche, so hat er dann später auch noch seinen Pass abgegeben. Er ist Deutscher geworden und das schon sehr früh, und zwar gegen Ende der 60er Jahre.

Ich bin in Baesweiler geboren, woran ich mich noch erinnern kann. Die ersten Bilder von mir, zumindest die ich kenne, zeigen mich, wie ich mit einer Gitarre auf dem Schoß auf dem Töpfchen sitze.

Da die Gitarre größer war als ich, ist auf dem Bild nicht viel von mir zu sehen. Meine Mutter erzählte immer, dass ich ein quicklebendiges Kind war. Und damals haben meine Eltern schon gesagt ‘das ist ein Musiker, das wird ein Musiker.’

Früh galt meine Liebe dem Keyboard und der Orgel und später dann auch dem Synthesizer, da ich seine Tasten als so faszinierend empfand. Das war aber nicht das, woran mein Vater für mich dachte und wie sich herausstellte war das Instrument, das ich spielen sollte, für ihn überaus wichtig, was Grund und Anlass für einige Überwerfungen zwischen ihm und mir werden sollte. Oberkrainermusik spielte bei uns immer eine große Rolle.

Mein Onkel (Marian) spielte in so einer bekannten Oberkrainerband, die Trompete und wurde ein immer größeres Vorbild für mich, was aber zunehmend zu einem Problem wurde. Zum einen war mein Vater nicht sehr überzeugt davon und zum anderen war es das falsche Instrument. Dieses war nicht das Instrument, an das mein Vater für mich dachte. Er hatte ein anderes Instrument im Kopf, jedoch sollte man nicht den Dickkopf eines 8-Jährigen unterschätzen. Denn er hat mir trotzdem eine Trompete für 220,-DM gekauft, was damals sehr viel Geld war. Für die Trompete habe ich nie Unterricht bekommen. Das war ein echter Nachteil, aber anders als heute war es damals mit dem Unterricht für ein solches Instrument, nicht so einfach.

Für praktisch jedes Instrument, bekommt man heute schnell einen Lehrer, doch damals war das noch anders und für die Trompete gab es so etwas kaum, außer zu sehr hohen Preisen. Mein Vater war, neben seinem...